Donnerstag, 6. Dezember 2012

Präsidentenwahlen in Ghana



Liebe Familie, Freunde und Bekannte,

Da hier im Land wegen der morgigen Wahlen gewissermassen die Ruhe vor dem Sturm herrscht, möchte ich die Gelegenheit nutzen euch mit einem Update zu versorgen:

Die Urnengänge in Ghana sind in den letzten paar Jahren sehr friedlich verlaufen und es herrscht die verbreitete Meinung, dass das auch diesmal so sein wird. Aber ein bisschen skeptisch bin ich schon, denn der Wahlkampf zwischen den beiden grossen Rivalen war schon sehr intensiv, von mutmasslich manipulierten Rednerpulten (siehe http://www.youtube.com/watch?v=bqOxRm0oSZ8) bis zu Schiessereien gab es bisher leider alles. Und da sich hier sehr schnell, sehr grosse und unberechenbare Menschenmengen bilden können, werde ich mich für ein paar Tage in ländliche Gegenden zurück ziehen.

Was mich betrifft, ist die wichtigste Neuigkeit, dass ich mein Transportproblem lösen konnte! Für umgerechnet 800 Franken habe ich mir ein fabrikneues Motorrad gekauft (ein chinesisches Fabrikat der weltbekannten Marke Haojin). Was ich dadurch an Zeit und Flexibilität gewonnen habe ist unschätzbar, täglich flitze ich nun am Stau vorbei. Natürlich ist der Verkehr immer noch kein Honigschlecken und ich muss nach jeder Fahrt mein T-Shirt wechseln, da es durch Abgase und Staub immer leicht braun-grau geworden ist. Auch die Strassenverhältnisse und die eher informellen Verkehrsregeln sind nicht ganz einfach zu meistern... offene Kanalisationskanäle, unzählige Schlaglöcher... und vor allem nachts sind "gestrandete" (d.h. kaputte und stehen gelassene) Autos ein echtes Problem. Aber so weit so gut, ich bin vollkommen wohlauf!

Das Motorrad habe ich übrigens offiziell angemeldet und konnte so ein Glanzstück afrikanischer Bürokratie erleben: Obwohl ich einen sogenannten "Agenten" (ohne solche Hilfe sollte man sich gar nicht erst zum Amt wagen) bezahlt habe, der die Leute und Prozesse da kennt und auch gleich sämtliche Bestechungen effizient abwickelt, wurden wir doch während rund zwei Stunden von Schalter zu Schalter geschickt. Nach Nummer 10 habe ich aufgehört zu zählen...

Ich werde immer wieder nach Bildmaterial gefragt. Auf unserer offiziellen Facebookseite gibt es schon fast unangenehm viele Bilder von mir (www.facebook.com/ssfghana)

Ich wünsche euch allen eine tolle Vor-Weihnachtszeit. 

Samuel

PS. Wir können bei Weitem nicht alle Anfragen von bedürftigen Frauen erfüllen, die versuchen, ökonomisch unabhängig zu werden, Daher freuen wir uns über jede Art von Unterstützung (http://www.globalgiving.org/projects/social-and-financial-solutions-to-women-in-ghana). Ich kann mittlerweile voller Überzeugung behaupten, dass Geld wohl selten so effizient eingesetzt wird wie hier. Also anstatt irgendwelche Administrationen in westlichen Hilfswerken zu finanzieren, unterstützt lieber eine vertrauenswürdige, lokale Organisation, dann wird das Geld auch wirklich entsprechend der ursprünglichen Absicht verwendet! Vielen Dank.



Godlminenbesuch in Obuasi, im Hintergrund der Lift der über 1500m in die Tiefe geht

Goldminenbesuch in Obuasi

Der Aufenthaltsraum in der Goldmine von Obuasi
Goldminenbesuch in Obuasi

"Fahrradtour"

Mein Wohnhaus in Kumasi

Mein Wohnhaus in Kumasi

Die Hauptstrasse in Kenyasi, der Vorort in dem ich wohne


Donnerstag, 8. November 2012

Arbeitsalltag in Kumasi

Liebe Familie, Freunde und Bekannte

Nun ist tatsächlich schon über ein Monat vergangen seit ich in Ghana gelandet bin, höchste Zeit für einen kurzen Lagebericht:  Die erste Umstellung hier war, dass ich mein Tagesablauf auf den städtischen Verkehr abstimmen musste. Ich wohne ein bisschen ausserhalb von Kumasi (beim grünen Pfeil hier: https://maps.google.com/?ie=UTF8&ll=6.690085,-1.616106&spn=0.386676,0.676346&t=h&z=11&vpsrc=4&iwloc=A&q=6.736525,+-1.561625) und lege deshalb tägliche eine Strecke zurück die je nach Verkehrslage zwischen 15min und 3h beansprucht. Um jeweils näher an der 15min-Marke zu sein muss ich auf Randzeiten ausweichen, das heisst konkret: Abfahrt morgens um 6 Uhr, Rückfahrt aus dem Büro in der Regel nach 19 Uhr... das bevorzugte Fahrzeug sind die sogenannten Tro-tros: Alte Minibusse, die ursprünglich für 8-11 Personen konzipiert wurden, hier aber im Schnitt 16 Personen (Kinder nicht mitgezählt) fassen. Die Preise variieren je nach Tageszeit, aber sind mit 25-50 Rappen für eine einfache Fahrt in sehr ertragbarem Rahmen.

Heute hatte ich zum Beispiel eine gute Stunde, aber es gibt auch Glücksfälle wie gestern, als eine Schlägerei (naja... eher eine Rangelei) im vorderen Teil der Warteschlange das Tro-tro zwang am hinteren Teil der Schlange Leute einzuladen, wo ich gerade angekommen war, was mir sicher 20-30min erspart hat. Zu Stosszeiten kann es beim Kampf um einen Platz im Tro-tro teilweise sehr rabiat zu und her gehen und grundsätzlich gilt das Prinzip "survival of the fittest". Meine für Ghana weit überdurchschnittliche Körpergrösse kommt mir dabei insofern entgegen, dass ich keine Angst zu haben brauche, zerdrückt zu werden. Der Nachteil ist aber, dass ich halt einfach mehr Platz brauche und öfters mal im Türrahmen hängen bleibe, während sich die Ghanaer irgendwie hineinschlängeln...

Wenn ich dann mal im Büro ankomme, stürze ich mich in der Regel ziemlich rasch in mein Projekt, dass ich in den den letzten Wochen angestossen habe und nun ausführe: Ich führe mit meinen zwei Übersetzern eine Art Kundenumfrage durch, die vor allem zwei Ziele verfolgt: Einerseits will ich Verbesserungspotenzial innerhalb der Organisation entdecken und andererseits herausfinden, ob und was für einen Effekt die Mikrokredite der Stiftung auf des Leben der Kundinnen haben. So sitze ich derzeit täglich mehrere Stunden mit Kundinnen zusammen und frage sie über ihre Geschäftstätigkeit und ihr Leben allgemein aus, was meistens äusserst spannend und lehrreich ist. Klar, die 12te Verkäuferin von Früchten ist dann nicht mehr so aufregend wie etwa die Bush-Meat Verkäuferin oder einer der wenigen männlichen Kunden, der Sandalen herstellt.

Meine Freizeit beschränkt sich praktisch nur auf die Wochenenden, an denen ich das Land erkunde. Das führte mich bisher zum Beispiel an die Küste zum Surfen, auf einen nahe gelegenen "Prayer Mountain" oder zur Goldmine in Obuasi.

Eine Anekdote zum Schluss: Ghanaer sprechen ein sehr spezielles Englisch, mit vielen unüblichen Redewendungen und Ausdrücken weil sie teilweise ihre lokale Sprache wörtlich übersetzen. Das führt dann beispielsweise dazu, dass ich beim Friseur letztens sehr konsterniert geguckt habe als er mich nach einer Weile sehr zittrigens Haareschneidens fragte: "Should I tear your face?"   ...     Wie bitte?!?!

Riesengelächter im Salon.

Mit noch intaktem Gesicht habe ich anschliessend erfahren, dass er eigentlich nur wissen wollte, wie er meine Fransen schneiden soll.

Bis zum nächsten Mal!

Samuel

PS. Weitere Bilder vom Team und Büro gibt es auf unserer neuen, offiziellen Facebook-Seite: http://www.facebook.com/ssfghana,

Der Bahnhof von Kumasi (ausser Betrieb)


Nach einem der alltäglichen tropischen Regen in Kumasi

Stuhl auf den Kopf und ab gehts zum Zoobesuch

Die Minenstadt Obuasi

Obuasi; die Felswand im Hintergrund ist nicht etwa natürlich, sondern das was vom Berg noch übrig ist
Strandidylle am Atlantik

Freitag, 5. Oktober 2012

Ankunft in Kumasi

Liebe alle,

Viele von euch haben sich zu Recht gefragt, wohin es mich verschlägt, hatte ich ja bis vor zwei Wochen selber auch noch keine Ahnung was passieren würde. Für die, die ich in den letzten Tagen nicht gesehen habe, möchte ich mit diesem Mail ein Update geben. Allen anderen kann ich nun noch zusätzliche Einzelheiten erzählen.

Ich schreibe dieses E-Mail in Kumasi, der zweitgrössten Stadt Ghanas. Nachdem ich vorgestern nach dem Flug via London in Accra um 20:00 gelandet bin, konnte ich nach 2h Schlange stehen an diversen Immigrations- und Gepäckschaltern auch gleich die Übernachtfahrt nach Kumasi in Angriff nehmen. Übrigens mit einem überraschend guten Bus, der den Komfort im Flieger bei Weitem übertraf, da habe in Afrika schon anderes erlebt... (siehe: hier) Irgendwann zwischen vier und fünf morgens sind wir schlussendlich eingetroffen, leicht verspätet, da aufgrund eines verunfallten Lastwagens eine Slalom-Einlage zwischen Containern nötig wurde (war nicht so dynamisch, wie es tönt... man stelle sich das Chaos vor, wenn ein paar Container auf der A1 liegen würden).

Nun, was treibe ich in Ghana? Ende August habe ich mich dazu entschlossen meinen lange gehegten Wunsch, in einem aufstrebenden, beziehungsweise sich entwickelnden Land zu arbeiten, zu verwirklichen, indem ich mich unbezahlt in die Dienste einer lokalen Organisation Stelle. Eine Organisation zu finden, die zu mir passt, war schwieriger als gedacht, aber ich bin nun überglücklich mit der Sun Shade Foundation (http://www.sunshadefoundation.org/) in Kumasi eine Organisation gefunden zu haben, bei der ich hoffentlich nicht nur viel lernen, sondern mit meinen Einsatz auch etwas hinterlassen kann. Die SSF ist in erster Linie eine Mikrofinanz-Organisation, sie vergibt Kleinstkredite (derzeit bis zu 300$) zu fairen Konditionen an Kunden, die keinen Zugang zu herkömmlichen Finanzdienstleistungen haben.

Für mich ist die Organisation zudem äusserst interessant, da sie erst seit etwa einem Jahr existiert, aber in dieser Zeit ein beachtliches Fundament gelegt hat. Nun gilt es, von diesem Fundament aus die äusserst ambitionierten Wachstumspläne in Angriff zu nehmen. Ich hoffe, mit meiner Erfahrung aus verschiedensten Bereichen die SSF mitprägen und zur Erreichung ihrer Ziele beitragen zu können. Zu meinem Erstaunen war mein Start hier schonmal besser organisiert als alles was ich bisher von westlichen Unternehmen her kannte. Gestern wurde ich als so genannter „Special Operations Attaché“ (so nichtssagend der Titel auch ist: Ich bezweifle, dass ich jemals wieder so eine coole Bezeichnung tragen darf) dem Team vorgestellt und ich hoffe, dass ich in den mindestens sechs Monaten die ich hier verbringen werde, auch den Erwartungen meiner  Gastgeber gerecht werden kann.

Ich freue mich extrem auf diese Zeit und würde mich auch freuen, von euch bei Gelegenheit zu hören oder euch sogar zu sehen! Ich sollte per E-Mail hier gut erreichbar sein. Telefonisch bin ich unter der Nummer +233 202 02 8877 erreichbar. Wer also seine Reisepläne noch nicht gemacht und Lust auf das nicht touristisch durchorganisierte Afrika hat, soll sich einfach bei mir melden. Ich werde selber sicher auch bei Gelegenheit meine Fühler in Richtung West- und Zentralafrika ausstrecken.

Liebe Grüsse,
Samuel